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Filmtipp „Mehr denn je“: Die Lebenden können die Sterbenden nicht verstehen

Der neue preisgekrönte Film „Mehr denn je“ von Regisseurin Emily Atef („3 Tage in Quiberon“, „Killing Eve“) handelt von den Fragen: Wie können wir uns am Lebensende so gut und frei wie möglich fühlen? Wie können wir uns vom Druck oder den Wünschen der Gesellschaft und denen unserer Lieben emanzipieren und unseren eigenen Weg finden, Krankheit und ggf. Tod zu akzeptieren?

Im Mittelpunkt der Geschichte steht die unheilbar kranke Hélène (Vicky Krieps, „Corsage“, „Das Boot“). Sie leidet an Idiopathischer Lungenfibrose, und ihr Mann, ihre Mutter und ihre Freunde sind mit der Situation überfordert. Sie verstehen Hélène nicht, packen sie in Watte oder verzweifeln, weil die junge Frau bald sterben wird. Hélènes Krankheit ist schließlich der Auslöser dafür, dass sie ihre heimische Komfortzone in Frankreich verlässt, nach Norwegen geht – und (auf)atmen kann. 

Sie hat im Internet einen Blog von einem Mann entdeckt, der sich Mister (Bjørn Floberg, „Pferde stehlen“, „Der Wolf“) nennt, ebenfalls krank ist und in Norwegen lebt. Die Texte und Bilder seines Blogs haben Hélène so beeindruckt, dass sie ihn kontaktiert hat und zu ihm reist. Es entwickelt sich eine ungewöhnliche Freundschaft zwischen den Beiden, und Mister bringt es auf den Punkt, wenn er sagt: „Die Lebenden können die Sterbenden nicht verstehen.“

Als heimlicher Held des Films entpuppt sich Hélènes Ehemann Mathieu (Gaspard Ulliel, „Saint Laurent“, „Hannibal Rising“). Er will nicht aufgeben, setzt alle Hoffnung in eine Lungentransplantation und reist seiner Frau nach. In Norwegen erkennt er, dass Hélène ihr Lebensende nach ihren eigenen Wünschen gestalten muss, dass es nicht um ihn geht und er sie gehen lassen muss, was der größte Liebesbeweis ist.

Der Wunsch der Regisseurin, dass das Publikum durch den Film angeregt wird, mit nahestehenden Menschen über den Tod zu diskutieren, dürfte in Erfüllung gehen. Der Film zeigt sehr eindrücklich und ohne jeden Kitsch, dass das Lebensende kein Tabu sein darf und auf allen Seiten großer Redebedarf besteht. „Mehr denn je“ ist ein wunderbarer, intimer, kleiner Film, der mit drei Personen auskommt und vor der Kulisse der norwegischen Natur das letzte große Thema unseres Lebens behandelt.