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Kulturtipp

Theatertipp „sterben helfen“: Selbstmord als Selbstverständlichkeit

Stellen Sie sich vor, Krankheit und Leiden spielen in unserer Welt keine Rolle mehr. Stellen Sie sich vor, es gibt bei unheilbaren Diagnosen keine langen, qualvollen Krankheitsverläufe. Stellen Sie sich vor, dass Ärzte verlernen, wie man Krebs behandelt, weil die Therapien einfach nicht mehr nötig sind. Stellen Sie sich vor, dass niemand leiden muss am Lebensende. Stellen Sie sich vor, dass man am Ende seines Lebens eine große Party feiert, um sich von allen zu verabschieden. Stellen Sie sich vor, Sie leben in einer Gesellschaft, in der man sich jederzeit völlig straffrei das Leben nehmen kann. Wie hört sich das an?

In dem Stück „sterben helfen“ von Konstantin Küspert, das im Theater Lübeck zu sehen ist, geht es um eine Gesellschaft in der Zukunft und ihren Umgang mit dem selbstbestimmten Sterben. Jeder Mensch erhält bei seiner Geburt einen Giftinhalator. Dieser wird bis zur Volljährigkeit von den Eltern aufbewahrt. Dann entscheidet Jeder und Jede selbst, wann er sterben möchte.

Im Mittelpunkt der Inszenierung steht Lucy, die eine Krebsdiagnose erhält. Sie macht eine Chemotherapie, will alle Möglichkeiten ausschöpfen und weigert sich, ihren Inhalator zu nutzen. Sie will leben. So lange wie möglich. Auch wenn sie leidet. Das stößt auf viel Unverständnis in dieser neuen Welt, wo niemand mehr unnötig leiden muss. Der Tod ist noch nicht abgeschafft, aber das qualvolle Sterben ist ein Tabu. Das gilt irgendwie auch für Gefühle.

Das Theater Lübeck gastiert für diese Produktion im Foyer des Center of Brain, Behavior and Metabolism (CBBM) in unmittelbarer Nähe des UKSH. Das Bühnenbild besteht aus weißen Möbelstücken, alles ist sehr steril und klinisch. Die Farbe bringen die Menschen mit: Jedes Ensemblemitglied hat seine eigene Farbe, in die er von Kopf bis Fuß gekleidet ist – aber niemand trägt Schwarz.

Es ist keine schöne neue Welt, die die acht Schauspielerinnen und Schauspieler in der Regie von Malte C. Lachmann zeigen. Aber es ist ein etwas über einstündiger Abend, der zum Nachdenken anregt und beeindruckt. Für weitere Denkanstöße bietet das Theater Nachgespräche an mit Palliativteams, Palliativmedizinern oder dem Dramatiker.

Fotos: Kerstin Schomburg